Seit über 35 Jahren ziehe ich nun in den Waldgebieten der Davert bei Münster umher.

Als Kind mit meinem jagenden Vater, später als Jugendlicher bei Revierarbeiten oder der Begleitung des Jagdherren und schließlich als Jäger. Nun habe ich seit Jahren auch die Gelegenheit als Jungjägerausbilder mit meinen Kursen dort bei den Treiben der revierübergreifenden Drückjagden mitjagen zu können und so die Möglichkeit den Jungjäger-Aspiranten Schwarz- und Damwild in natürlicher Umgebung hautnah präsentieren zu können.

Es handelt sich dabei meist um in dieser Gegend aufgewachsene Personen, da in NRW das Wohnortprinzip zählt. Die Meisten können sich dennoch nicht vorstellen, dass im Bereich Münster und südlich solche Waldgebiete vorhanden sind und dort diese Wildarten vorkommen. Diese kennt man aus Zoos und Naturparks, aber in freier Wildbahn sind sie noch nie zu Ansicht gekommen.

 

Ich kann mich an eine Drückjagd erinnern, wo wir nicht nur auf Grund des idealen Wetters viel Spaß hatten. Wir sahen Reh-, Dam- und Schwarzwild, den einen oder anderen Hasen und Waldschnepfen. Es ergab sich, dass wir in einer Pause Schwarzwild versorgen konnten und ich dann das Aufbrechen vorführen und die Anatomie, Organe und Weiteres am Stück erklären und auf Fragen eingehen konnte.


Die Treiben beginnen stets gegen 10:00 Uhr und enden gegen 14:00 Uhr. Danach gibt es warme Verpflegung, welche zu Haus gefertigt und an freier Luft durch meine Frau ausgegeben wird. Dort kommen dann die Ansitz-Jäger und wir Treiber zusammen, man lernt sich kennen und kann erste Erlebnisse vom heutigen Tage austauschen.


Dabei kann ich mich an einen Jäger ganz besonders erinnern. Er war irgendwie stiller als sonst, zog sich zurück, wollte nicht auffallen und gab auch keine rechten Antworten, wenn er von den Anderen angesprochen wurde. Seine Blicke links und rechts rundeten sein unsicheres Verhalten ab. Erst nach längerer Zeit Schweigsamkeit brach es aus ihm raus:

„ Ich weiß ihr werdet mich für verrückt halten, aber ich kann nicht mehr länger warten. Im Treiben war ein Känguru. Ich habe eines gesehen! Ich dachte erst an ein krankes Kitz, aber es war ein Känguru. Ehrlich – ich spinne nicht!“

Die Jagdkorona lächelte zunächst fast schon mitleidig in seine Richtung, als ein zweiter Jäger tief und erleichtert durchatmete und dieses bestätigte. Dieser gab an:

„ Ich hatte nicht den Mut mich hier als Gespött darzustellen. Ich traute mir ja selbst nicht – aber ich habe auch ein Känguru gesehen!“

Ein dritter Jäger, der zunächst abseits die ersten Worte nicht vernommen hatte, prustete seine Goulasch-Suppe aus und kommentierte, dass er geglaubt habe geträumt zu haben und deshalb nicht seinen Anblick erwähnt hätte. Auch er habe ein Känguru vorgehabt, welches er auch hätte schießen können, wenn er dieses „frei gehabt“ hätte.

Die ganze Jagdgesellschaft hatte nun ein lustiges Gesprächsthema, speziell da man sich noch lange über das Verhalten der Jagdgenossen wie das Erlebte hervorgebracht wurde unterhielt.
 

Das Känguru wurde an diesem Tage nur in unserem Revier gesehen. Am gemeinsamen Streckenplatz erzählte man dem einen oder anderen davon, aber alles insgesamt war es doch recht ruhig darum.
 

Zweieinhalb Wochen darauf komme ich zur Frühschicht zum Dienst. Bei der Übergabe erzählt mir ein Kollege, dass er eben einen Anruf eines Passanten entgegengenommen habe, der eigentlich ganz nüchtern geklungen habe, aber was von einem totgefahrenen Känguru im Straßengraben erzählen würde. Eine Streife wäre nun auf dem Weg dorthin und würde sich dieses Tier und den Passanten mal genauer ansehen.
 

Ich sagte dem Kollegen direkt, dass das sehr wohl möglich sei, denn bei der letzten Drückjagd hätten mehrere Mitjäger von einem Känguru erzählt. Der Kollege schaute mich an, als wenn ich die Nacht wohl nicht richtig geschlafen oder er jetzt auf Grund seiner Müdigkeit mich nicht richtig verstanden hätte. Bei Eintreffen der Streifenwagenbesatzung bestätigten diese den Fund eines toten Kängurus.
  

Recherchen ergaben, dass Monate zuvor aus einem Privatgehege im Süden Münsters ein Känguru ausgebrochen war und hatten somit auch eine logische Erklärung für das Vorkommen des Beuteltieres. Die Pressestelle lud die Tagespresse und das Fernsehen ein und erzählten diesen von dem ungewöhnlichen Verkehrsunfall.                                                                         
                                                                                                           Polizeifoto

 

 

 

 

 

 

Ich hatte den ehemaligen Halter des Tieres angesprochen, hatte das Tier mitnehmen dürfen und beim nächsten Unterrichtsabend den Jungjägern vorführen können. Sie fotografierten das Tier als bleibende Erinnerung an diesen Jagdtag.  

                           
Fotos                                                     A.Pigge                                                                                                A.Pigge


Den Schädel habe ich präpariert und in meine Lehrmittelsammlung aufgenommen. Sein Vorhandensein wird mich immer an die „Davert – Drückjagd - Januar 2008“ erinnern.

 
Fotos                                                                      G.Horstmann                                                                                G.Horstmann


Auch nach der diesjährigen Jagd wurde die Geschichte zu vorgerückter Stunde eine amüsante Erzählung, welche nochmals für Gelächter sorgte und ich bin mir sicher, dass dieses im Laufe der Jahre für jede Menge Jägerlatein sorgen wird.

 

veröffentlicht in PIRSCH 03/2010

Aktualisiert (Sonntag, 09. September 2012 um 08:12 Uhr)